Whitepaper

ZAHNSTANGEN IM ZEITALTER VON INDUSTRIE 4.0

Wie die Charakterisierung jeder Zahnstange neue Einsatzmöglichkeiten in der Linearbewegung eröffnet.

Slider_Startseite_Zahnstangen_4.0.jpg__PID:aa018181-0867-4874-95d9-5d19ce73ee6e

Digitale Präzision für Zahnstangenanwendungen

In modernen Maschinen mit langen Achsen, Gantry-Systemen oder engen Toleranzvorgaben ist die Zahnstangenauswahl entscheidend für Präzision und Effizienz. Die ATLANTA-Methode ersetzt die klassische Qualitätsklassen-Auswahl durch eine datenbasierte Selektion präzise vermessener Zahnstangen. Dieser Bericht zeigt, wie sich damit Gesamtteilungsfehler deutlich reduzieren, die Montagegenauigkeit steigern und neue konstruktive Freiheiten schaffen lassen.

Zahnstangen gehören seit Jahrzehnten zu den zentralen Elementen der Lineartechnik. Sie ermöglichen die präzise Umwandlung von Dreh- in Linearbewegungen und sind in zahllosen Maschinen und Anlagen im Einsatz. Doch trotz des hohen Reifegrads dieser Technologie stößt ihr Einsatz in der Praxis, insbesondere bei langen Verfahrwegen, regelmäßig an technische Grenzen. Ein zentrales Problem liegt in der Akkumulation fertigungsbedingter Toleranzen, insbesondere des sogenannten Gesamtteilungsfehlers (GTf). Dieser beschreibt die Abweichung der tatsächlichen Zahnteilung entlang der Zahnstangenlänge von der idealen Sollteilung.

Der GTf kann sowohl positiv als auch negativ ausfallen und variiert je nach Qualitätsklasse der Zahnstange: So beträgt der zulässige GTf bei einer  Zahnstange der Qualität 5 lediglich ±0,030 mm pro Meter, während er bei der Qualität 10 bis zu ±0,200 mm pro Meter erreichen kann.

Gerade bei langen Achsen summieren sich diese Abweichungen über mehrere Zahnstangen hinweg. In der Praxis kann das dazu führen, dass sich die Befestigungslöcher der Zahnstange zunehmend vom vorgegebenen Bohrbild im Maschinenbett entfernt und somit nicht zueinander passen.

Mit dem Aufkommen von Industrie 4.0 und dem Konzept des digitalen Zwillings hat sich nun ein Paradigmenwechsel ergeben. Wir von ATLANTA nutzen diese Möglichkeiten, um jede einzelne Zahnstange individuell zu charakterisieren und deren Daten für Planung, Montage und Wartung verfügbar zu machen. Das Ergebnis:

  • ein Präzisionsniveau das bisher in diesem Bereich unerreichbar gewesen ist
  • neue Einsatzmöglichkeiten für die Auslegung von Linearachsen, wie z.B. Gantry-Anwendungen
  • maßgeschneiderte Lösungen für lange Strecken

Die klassische Methode und ihre Grenzen

Traditionell werden Zahnstangen nach Qualitätsklassen (z. B. Q6, Q8, etc.) ausgewählt. Dahinter steht die Annahme, dass Zahnstangen derselben Klasse sich gleich verhalten, was zur folgenden Berechnung führt:

Beispiel mit einer 6 m lange Achse

Verwendet werden 1000 mm lange Zahnstangen in der Q6, Größe Modul 4

Vorteil_lange_Zahnstangen_1170x540pix_2.jpg__PID:9a36a09a-9e0d-4a6f-bb34-1f25c2c0e175

Anzahl der Zahnstangen: 6
Gesamtteilungsfehler pro Zahnstange: 0,034mm
Verbindungsfehler pro Zahnstangenstoß: 0,025mm

Max. mögliche Abweichung: 
Anzahl der Zahnstangen x Gesamtteilungsfehler pro Zahnstange + Anzahl an Stoßstellen x Verbindungsfehler pro Zahnstangenstoß

6 x 0,034mm + 5 x 0,025mm = 0,329mm ≤ zulässige max. Abweichung der gesamten Strecke

Um den maximal möglichen Gesamtteilungsfehler (GTf) einer Achse zu ermitteln, multipliziert man den zulässigen Teilungsfehler pro Zahnstange entsprechend der gewählten Qualitätsstufe mit der Anzahl der eingesetzten Zahnstangen. Zusätzlich müssen die potenziellen Fehler an den Stoßstellen berücksichtigt werden. So ergibt sich ein theoretischer Maximalwert, der im sogenannten Worst-Case-Szenario die größte mögliche Abweichung der Achse beschreibt.

Worst_Case_Scenario.jpg__PID:e64ab12a-56e8-48bb-9b21-7ab99714a112

Abb. 1 Unsicherheitsbereich (Worst-Case-Szenario)

Wie sieht es in der Praxis aus? Je länger die Achse und je mehr Zahnstangen kombiniert werden, desto größer wird dieser Unsicherheitsbereich in der Montage. Die Folge ist, dass die Bohrungen in der Zahnstange nicht mehr mit den vorgesehenen Befestigungspunkten im Maschinenbett übereinstimmen. In manchen Fällen ist die Abweichung so groß, dass die Zahnstangen nicht montiert werden können. Um diese Risiken zu vermeiden, sehen sich Konstrukteure oft gezwungen, auf höhere, deutlich teurere Qualitätsklassen auszuweichen.

Die ATLANTA‑Methode – Der digitale Zwilling

Um diese bekannten Einschränkungen künftig zu vermeiden, haben wir die klassische Methode grundlegend überarbeitet und das Konzept des digitalen Zwillings erstmals systematisch auf Zahnstangen angewendet. 

Ein digitaler Zwilling ist ein virtuelles Abbild eines realen Bauteils, das alle relevanten Geometrie- und Qualitätsdaten digital verfügbar macht. Bei ATLANTA bedeutet das: Wir fertigen nicht nur Zahnstangen, sondern versehen jede einzelne mit einem digitalen Profil, das alle fertigungstechnischen Eigenschaften beinhaltet. Diese Informationen stehen Anwendern über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg zur Verfügung, von der Konstruktion über die Montage bis hin zur Wartung.

Wie setzen wir das konkret um?
Jede Zahnstange erhält eine eindeutige Kennzeichnung durch eine Seriennummer und einen Matrixcode, sodass sie eindeutig identifizierbar ist. Am Ende des Produktionsprozesses werden alle Zahnstange hochpräzise vermessen, wobei individuelle Gesamtteilungsfehler (GTf) sowie weitere geometrische Parameter erfasst werden. Der Gesamtteilungsfehler wird digital gespeichert und in der ATLANTA-Cloud hinterlegt. Über die webbasierte Anwendung ATLANTA ProductScan haben Konstrukteure und Instandhalter jederzeit Zugriff auf diese Daten, die direkt in die Auslegung, Auswahl oder Wartung der Zahnstangen einfließen können.

measuring_process.jpg__PID:98f7f4ac-86f6-4592-a813-9a1b2445d080

Abb. 2 Messvorgang einer ATLANTA Zahnstange

Anstatt mit Annahmen und Tabellenwerten zu arbeiten, stehen nun tatsächliche Messdaten jeder einzelnen Zahnstange zur Verfügung. Durch den Einsatz der webbasierten ATLANTA Mapping-Anwendung wird eine automatische Sortierung der Zahnstangen durchgeführt. Damit lassen sich Zahnstangen gezielt kombinieren. Die GTf‑Werte mit positiver und negativer Abweichung können so zusammengestellt werden, dass sich Abweichungen gegenseitig kompensieren, die als Ergebnis eine fest definierte und für die jeweilige Applikation optimierte Montagereihenfolge ausgibt. Dadurch lässt sich bei langen Achsen eine viel geringere Gesamtabweichung realisieren, die zuvor nicht möglich gewesen ist.

GTf_TPE_25m.jpg__PID:6bb8aaf0-96a3-4987-a264-56f4f0081b43

Abb. 3 Verlauf des Gesamtteilungsfehlers von unsortierten (rot) und sortierten (grün) Zahnstangen einer 25m langen Achse, sowie das mögliche „Worst-Case Szenario (blau) einer unbekannten Q6 Zahnstange.


Vorteile der ATLANTA‑Methode im Überblick

Die ATLANTA-Methode eröffnet Maschinenbaukonstrukteuren neue Möglichkeiten zur präzisen und kosteneffizienten Gestaltung linearer Achsen.

  • Gezielte Bauteilauswahl basierend auf realen Messdaten
    Dank der präzisen Vermessung jeder einzelnen Zahnstange können Sie als Konstrukteur den optimal passenden Bauteil auswählen, ohne ausschließlich auf teurere Qualitätsklassen angewiesen zu sein. Die Verfügbarkeit exakter Gesamtteilungsfehler (GTf) erlaubt eine passgenaue Abstimmung auf die Systemanforderungen.
  • Planungssicherheit und vereinfachte Montage
    Die werkseitige Nummerierung und die Verfügbarkeit der Zahnstangendaten aus der ATLANTA Cloud ermöglichen eine fest definierte und optimierte Montagereihenfolge. Dadurch entfallen zeitraubende Anpassungen oder Nachjustierungen vor Ort. Bohrungen und Befestigungspunkte können präzise vorbereitet werden, was den Montageprozess deutlich vereinfacht.
  • Effiziente Wartung und Vermeidung von Standzeiten
    Im Wartungsfall können gezielte Ersatzzahnstangen mit identischem GTf-Wert („Klon“) direkt nachbestellt und verbaut werden, was aufwendige Nachjustierungen minimiert und Stillstandzeiten deutlich reduziert.
  • Erweiterte Systemkonzepte und Kosteneinsparungen
    Mit der Möglichkeit, den Gesamtteilungsfehler entlang einer langen Strecke gezielt zu kompensieren, können Sie als Konstrukteur auf rein elektromechanische Systeme setzen, um die erforderliche Präzision der gesamten Achse zu erzielen. Zusätzliche Positioniersysteme könnten nicht mehr erforderlich sein. Dies ermöglicht nicht nur kostengünstigere Baugruppen zu verbauen, sondern auch eine flexible Erweiterung der Verfahrwege ohne Präzisionsverlust. Auch bei kurzen Achsen können präzisere GTf-Werte erreicht werden, als es innerhalb traditionellen Qualitätsklassen möglich gewesen ist.
  • Gantry Systeme
    Ein Gantry-System besteht aus zwei parallel geführten, meist synchron angetriebenen Achsen, die eine Quertraverse präzise verfahren. Solche Systeme finden vor allem in der Handhabungs-, Montage- und Fertigungstechnik Anwendung, wenn große Arbeitsbereiche bei gleichzeitig hoher Genauigkeit realisiert werden müssen. Mit der Funktion GANTRY in der digitalen Anwendung auf der ATLANTA-Homepage lassen sich zwei Zahnstangenstrecken so auswählen, dass ihre gemessenen GTf-Verläufe optimal zueinander passen. Auf diese Weise werden Unterschiede zwischen linker und rechter Seite minimiert, was eine nahezu verspannungsfreie Montage ermöglicht und die Präzision sowie Lebensdauer des gesamten Systems deutlich erhöht.
  • Definierter Gesamtteilungsfehler (GTf) – maßgeschneidert für lange Verfahrwege
    Ein besonderer Vorteil der ATLANTA-Methode ist die gezielte Auswahl von Zahnstangen für Anwendungen mit langen Verfahrwegen. Anstatt Zahnstangen mit einem festen Fehlerverlauf zu verwenden, greifen wir auf eine umfangreiche Datenbank präzise vermessener Zahnstangen und deren individuellen Gesamtteilungsfehler zurück. Basierend auf diesen Informationen selektieren wir für besonders lange Achsen eine Kombination von Zahnstangen, deren Fehlerverläufe sich gezielt ergänzen. Dabei werden nicht nur die Abweichungen zwischen einzelnen Zahnstangen berücksichtigt, sondern auch die Fehlerverläufe innerhalb jeder einzelnen Zahnstange in die Optimierung einbezogen.
mobile_phone.jpg__PID:938a8b08-095d-469c-aec0-6b150d4136c5

Abb. 4: Daten einer Zahnstange aus der ATLANTA-Cloud

Fallstudie: Vansichen & ATLANTA – Präzision über 25 m

Ein anschauliches Beispiel liefert unser langjähriger Partner die Firma Vansichen Linear Technology (in Deutschland als SimKon by Vansichen bekannt). Das belgische Unternehmen ist Spezialist für lineare Achsen in der Robotik und Portaltechnik und hat bereits über 1000 Projekte umgesetzt.

Für einen Kunden im Bereich Robotik sollte eine 25 Meter lange Roboter‑Verfahrachse realisiert werden. Die Anforderungen waren hoch: maximale Präzision über die gesamte Strecke, ohne zusätzliche Messtechnik, und das bei wirtschaftlichen Komponenten.

Umsetzung mit der ATLANTA‑Methode:
Vansichen setzte dabei auf ATLANTA Zahnstangen in der Größe Modul 4 und der Qualität 8. Vor der Montage wurde jede einzelne Zahnstange mit Hilfe des Mapping Tools von ATLANTA ausgelesen. Über den Matrixcode wurden die individuellen GTf‑Werte in die Software übernommen und anschließend eine Montage‑Reihenfolge berechnet, die die Summe der Abweichungen minimiert.

Ergebnisse im Vergleich:
- Unsortierte Montagereihenfolge: Maximaler Gesamtfehler über eine Strecke von 25 m = 140 µm
- Optimierte Montage mit Mapping Tool: Maximaler Gesamtfehler über eine Strecke von 25 m = 70 µm

Das bedeutet eine Halbierung der Gesamtabweichung, ohne zusätzliche Messtechnik, allein durch intelligente Nutzung der vorhandenen Zahnstangen und ihrer digitalen Messdaten, siehe hierzu Grafik Abb. 3.

3a21f353-8eb7-4c00-b86a-bacf48c717e1_unscharf.jpg__PID:ba800840-a5ec-4b02-8f15-403d54ccdb83

Abb. 5: Eine 25 m lange Roboter-Achse von Vansichen Linear Technology

Fazit

Während bei der klassischen Methode Zahnstangen nach Qualitätsklasse ausgewählt und in beliebiger Reihenfolge montiert werden, setzt die ATLANTA-Methode auf präzise Messdaten jeder einzelnen Zahnstange und eine gezielte, datenbasierte Montageplanung. 

Mit der ATLANTA-Methode lässt sich der Gesamtteilungsfehler über lange Achsen hinweg deutlich reduzieren und das, ohne auf kostenintensive Zahnstangen höherer Qualitätsklassen zurückgreifen zu müssen. Durch die systematische Auswertung präziser Messdaten und die gezielte Kombination bereits produzierter Zahnstangen entsteht eine neue Qualität in der mechanischen Präzision von Zahnstangentrieben: digital unterstützt, wirtschaftlich effizient und konsequent anwendungsorientiert. Statt ausschließlich als Hersteller von Zahnstangen aufzutreten, verstehen wir uns heute als Entwicklungspartner für anspruchsvolle und zukunftsorientierte Linear Anwendungen.

Möchten Sie wissen, wie Sie Ihre eigene Applikation mit der ATLANTA Methode präziser, wirtschaftlicher und zukunftssicher gestalten können? Kontaktieren Sie uns gerne, wir zeigen Ihnen, wie Sie das volle Potenzial dieser Innovation in Ihrem Projekt nutzen.

Rufen Sie uns an unter: +49 7142 70010 oder schreiben Sie uns: vertrieb@atlantagmbh.de.